Gott und Kaiser
100 Jahre Ehemalige Synagoge
Zum hundertjährigen Jubiläum der Synagoge war von 13. November 2013 bis 30. April 2014 im Stadtmuseum St. Pölten die Ausstellung „Gott und Kaiser. 100 Jahre Ehemalige Synagoge" zu sehen. Kuratiert von Martha Keil und graphisch und künstlerisch gestaltet von Renate Stockreiter (Wien) veranschaulichte sie nicht nur die Errichtung, Zerstörung und Renovierung der Synagoge, sondern auch ihre Bedeutung für die 1940 vernichtete jüdische Gemeinde. Kein einziger Ritualgegenstand – Torarollen, Kerzenleuchter, Textilien – überlebte die NS- und Nachkriegszeit. Umso kostbarer sind die wenigen noch erhaltenen Objekte, vor allem Gemeinde- und Gebetbücher, Fotos und Dokumente, die das einstmals blühende Gemeindeleben bezeugen und hier der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Die privaten Leihgaben von Dr. Hans Morgenstern (St. Pölten) gaben der Ausstellung eine berührende persönliche Note. In Hörstationen erzählten Zeitzeugen ihre Erinnerungen an das Haus, Filme aus dem ORF-Archiv zeigten Feste, die in der Synagoge ihren Ort haben.
Als atmosphärisches Leitmotiv gestaltete Renate Stockreiter farbenprächtige Fensterbanner mit den je nach Thema des Raums variierten hebräischen Buchstaben beit und kav. Sie sind die gebräuchliche Abkürzung für Bet Knesset, Haus der Versammlung, wie die Synagoge auf Hebräisch genannt wird, repräsentieren aber auch Beri'a und Kelija, Schöpfung und Zerstörung, sowie Beracha, Segen, und Kavod, Ehre. Die kräftigen Farben entsprechen den einstigen Fenstern, von denen nur noch zwei Fragmente erhalten sind.
Die Synagoge wurde 1980–1984 unter der Aufsicht des Bundesdenkmalamts renoviert. Im Zuge dessen wurden die drei Stufen vor dem Toraschrein abgetragen, die Reste des Handwaschbrunnens spurlos entfernt und auch die Psalmenverse in den Vignetten auf der Frauengalerie übermalt. Diese und andere Eingriffe und Aspekte des Renovierens griff Renate Stockreiter in der künstlerischen Intervention „Geschichtete Zeit. Das neue Gesicht und die verborgenen Narben" auf. Ausgangspunkt für ihre visuelle Reflexion waren stark vergrößerte Details aus Dokumentationsfotos vor der Renovierung, die sie in sechs großformatigen Bildern einem Verfremdungsprozess unterzog. Im selben Raum machte der Flötist und Saxophonist Ronald Bergmayr (St. Pölten) diesen Prozess auf akustischer Ebene hörbar. Für seine Komposition improvisierte er in der Synagoge über drei liturgischen Gesängen und legte sie im Tonstudio als „Schichten" über Klänge und Stimmen.
Ein kurzer Film von Manuel Tauber-Romieri (St. Pölten) gibt Ihnen |hier| eine Impression der Ausstellung.
Der gleichnamige Ausstellungskatalog ist im Shop der Ehemaligen Synagoge St. Pölten erhältlich.