Bruch und Brücke. Niederösterreich und „seine“ Juden 1922–2022

Ausstellung
Ehemalige Synagoge St. Pölten, Dr. Karl Renner-Promenade 22, 3100 St. Pölten

Öffnungszeiten der Ausstellung
6. Mai – 1. Oktober 2022

Anhand der St. Pöltner jüdischen Familie Löw zeigte die Ausstellund die letzten 100 Jahre aus jüdischer Perspektive. Zehn Stationen brachten einerseits das Wirken vieler Jüdinnen und Juden für ihre Heimatgemeinden und den brutalen Bruch durch Vertreibung und Ermordung näher. Andererseits zeigten sie den vorsichtigen Brückenschlag zwischen den Vertriebenen und Nachkommen und ihren Herkunftsorten, den das Land NÖ durch seine Förderung von Forschung zur jüdischen Geschichte und von Zeichen der Gedenkkultur ermöglicht.

Bruch…
Die Trennung von Wien und Selbstständigkeit Niederösterreichs seit 1922 war für die jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner des Bundeslandes wenig relevant. In den Anfängen der hun­dert Jahre litten sie wie die Gesamtbevölkerung unter den wirt­schaftlichen Folgen des Ersten Weltkriegs. Auch entstanden für viele Probleme mit der Staats­bürgerschaft und dem Heimatrecht. Vom Zerfall der Monarchie waren sie insofern besonders betroffen, da sie in den Jahrzehnten des erstarkenden Antisemitismus den kaiserlichen Schutz verloren. Die Katastrophe der Shoah als beispielloser Bruch bedeutete die Vernichtung der 15 Israeliti­schen Kultusgemeinden Niederösterreichs und – mit Ausnahme von Baden bei Wien – das unwiederbringliche Ende des jüdischen Lebens im Land. Nach mehr als drei Jahrzehnten Ver­drängung, Nicht-Anerkennung der Verbrechen und Missachtung der Opfer trat Ende der 1970er und in den frühen 1980er Jahren, noch einige Jahre vor der Debatte um die Kandidatur Kurt Waldheims zum Bundespräsidenten, eine Wende ein. Die wenigen noch nicht zerstörten Synagogen wurden renoviert und erste Forschungen und Gedenkaktivitäten unterstützt.

… und Brücke
Die Forschungen zur NS-Zeit und Zeichen der Gedenkkultur bedeuteten für die Vertriebenen und deren Nachkommen das Angebot einer Brücke, einer Möglichkeit, sich auf die Spuren ihrer ermordeten und vertriebenen Verwandten, ihrer tief traumatisierten und entwurzelten Eltern und Groß­eltern zu begeben. In den früheren Heimatorten von ehrlich interessierten Historiker_innen mit Forschungsergebnissen, Familiendokumenten und Vermittlungstätigkeiten begleitet zu werden, ließ neue Verbindungen knüpfen – von Niederösterreich in alle Länder der Vertrei­bung und neuen Heimaten.

„Wir wären nicht hier, wenn es Euch Historiker nicht gäbe!“, sagte Karin Rivollet (Genf), die Enkelin der in Maly Trostinec ermordeten St. Pöltner Hermann und Irma Löw anlässlich der Eröffnung eines neuen Teils der Dauerausstellung im Haus der Geschichte im Museum NÖ am 22. Oktober 2021. Ihre Mutter Edith Goldschmidt hatte eine Reise nach Österreich immer verweigert – bis sie 1998 vom Injoest zu einem Treffen der Vertriebenen mit der Aus­stellung „Es gab so nette Leute dort…“ eingeladen wurde. Derartige Beispiele von Annäherung und Brückenschlag durch Forschung und Gedenkkultur konnten für mehrere Städte und Gemeinden Niederösterreichs aufgezeigt werden.

Idee: Martha Keil | Kurator: Christoph Lind | Gestaltung: Renate Stockreiter

Die Broschüre zur Ausstellung können Sie per |mail: bei office@injoest.ac.at| bestellen.