Die Utopie des „gesunden Volkskörpers“. Geschlossene Anstalten, „Erb- und Rassenhygiene“, NS-Euthanasie


Call for Papers
bis 30. 11. 2018 für die 29. Internationale Sommerakademie des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs

Mi., 3. – Fr., 5. Juli 2019, Volkskundemuseum Wien

 „Die bringen mir meine Mutter um! Wir müssen sie da rausholen!“ So die Reaktion der Tochter einer Patientin, die im Februar 1941 in der „Heil- und Pflegeanstalt“ Mauer-Öhling bei Amstetten eingeliefert wurde. Die Interviewpassage mit ihrer Enkelin, aufgezeichnet in einem aktuellen Forschungsprojekt des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs über die nationalsozialistische Vergangenheit der drittgrößten psychiatrischen Klinik der „Ostmark“, eröffnet ein weites Feld an Fragestellungen, die im Fokus der Sommerakademie 2019 stehen.

Thematisiert werden die unterschiedlichen NS-Euthanasie-Programme, sowohl die zentral geplanten Deportationen in die Vernichtungsanstalten der so genannten „Aktion T4“ und nicht mehr arbeitsfähiger KZ-Häftlinge im Zuge der „Sonderbehandlung 14f13“, als auch die dezentral und anstaltsintern durchgeführten Tötungen in „Kinderfachabteilungen“, die Liquidierung von Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern/innen oder Bewohnern/innen von Altersheimen.

Die Beziehungen zwischen dem Genozid an den europäischen Jüdinnen und Juden und dem Massenmord an Psychiatrie-Patient/innen verdienen dabei besondere Beachtung. Behandelt werden sollen die verwandten weltanschaulichen Wurzeln, die Parallelitäten und Unterschiede dieser beiden NS-Mordprogramme, aber auch der gesellschaftliche – lange Zeit tabuisierte – Umgang von 1945 bis heute. Vorschläge für Vorträge könnten einzelne Aspekte nachfolgender Themen berücksichtigen:

 

  • Ideologische Ursprünge der nationalsozialistischen „Utopie“ eines „gesunden Volkskörpers“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Eugenik
  • Biopolitische Grundlagen: Zwangssterilisationen und das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“
  • NS-Psychiatrie und die vertriebene Psychoanalyse, jüdische Ärzte und Patient/innen
  • Das System der Massenvernichtung: NS-Euthanasie und Holocaust, kausale und zeitliche Zusammenhänge, personelle Verflechtungen
  • Die Orte der Verbrechen: Aktuelle Forschungen zu Vernichtungs-, Heil- und Pflegeanstalten im „Dritten Reich“
  • Die Ahndung von „Euthanasie“- und Holocaustverbrechen durch die Justiz nach 1945
  • (Nicht-) Anerkennung der Opfer, weitere Karrieren der Täter
  • Friedhöfe, Gedenkstätten und Denkmäler, virtuell und real
  • Die Diskussion um Datenschutz, sensible Diagnosen, Krankengeschichten und Nennung der Namen
  • Die Rolle betroffener Angehöriger, Familiengeheimnisse und transgenerationale Weitergabe

Wir freuen uns auf Ihre Abstracts (max. 300 Wörter) und Kurzbiografie incl. Publikationen (max. 300 Wörter) und bitten Sie, diese bis 30. November 2018 per E-Mail an Dr. Sabine Hödl (sabine.hoedl@injoest.ac.at) zu senden. Den Referentinnen und Referenten steht eine halbe Stunde Rede- und 15 Minuten Diskussionszeit zur Verfügung. Die Tagungsorganisation übernimmt für Vortragende die Reise- und Hotelkosten.