AKM und Austro Mechana im Wandel von „Arisierung“ und Neugründung
Im Jahr 1897 gegründet ist die AKM die zweitälteste Verwertungsgesellschaft Europas, die die Aufführungs-, Sende- und Zurverfügungsstellungs-Rechte ihrer Mitglieder vertritt. Der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich 1938 veränderte auch die Arbeitsbedingungen der AKM und der wenige Jahre zuvor gegründeten Austro Mechana, der Verwertungsgesellschaft für mechanische Rechte (Schallplatten, etc.)
Anfang 1938 war Bernhard Herzmansky jun. Präsident der AKM. Vizepräsidenten waren Dr. Rudolf Sieczinsky, Dr. Joseph Marx und Dr. Fritz Löhner. Nach dem erzwungenen Rücktritt dieses Vorstandes wurde Friedrich Reidinger neuer Präsident, sein Stellvertreter war Otto Wetchy. Für den Ausschluss der jüdischen Mitglieder der AKM wurde ein (2010 in der Wienbibliothek im Rathaus entdeckter) „Judenspiegel“ erstellt. Von den 1.266 AKM-Mitgliedern wurde fast die Hälfte, 531 Personen, als Juden nach den Nürnberger Gesetzen aus der Genossenschaft ausgeschlossen. Es ist anzunehmen, dass diese Ausschlüsse auch für die Austro Mechana umgesetzt wurden.
Aus wirtschaftlichen und juristischen Gründen wurde von einer Auflösung der AKM abgesehen. Die verbliebenen „arischen“ Mitglieder wurden aufgefordert, der deutschen Verwertungsgesellschaft STAGMA beizutreten und zugleich trat die STAGMA die Rechtsnachfolge der AKM an. – Wie erfolgte die „Umschichtung“ der Mitglieder in die STAGMA? Traten alle ehemaligen AKM-Mitglieder, denen das möglich war, in die STAGMA über? Wurde die „Umschichtung“ auch als Moment der Selektion nach ideologischen, parteipolitischen und ästhetischen Kriterien benutzt? Inwiefern war die Austro Mechana betroffen?
Nach Ausschluss und Vertreibung fielen weiterhin Tantiemen jüdischer Künstler an: zum Großteil im Ausland, da „jüdische“ Musik im Deutschen Reich verboten war. – Wie viele ausgeschlossene Mitglieder (oder deren Erben) stellten nach 1945 Nachforderungen an die AKM und Austro Mechana? Wie kamen diese den Forderungen nach? Weiters wird zu untersuchen sein, ob es möglich ist, Teil- und Gesamtbeträge der in die STAGMA eingegangenen Tantiemen für jüdische Künstler zu berechnen oder nachträglich zumindest hochzurechnen – um einen Überblick über die Dimensionen auch dieses Raubzuges zu erhalten.
Bei den Musikverlagen ist die Problemlage eine insofern andere, als viele lukrative Verlage, die jüdische (Mit )Eigentümer gehabt hatten, Musikrechte an „nichtjüdischen“ Werken hielten. Vor allem die „Arisierung“ bzw. Liquidierung der kleinen Musikverlage ist noch wenig erforscht und wird im Rahmen des Projekts untersucht. Auch wird das strukturelle und kulturelle Kapital zu veranschlagen sein, das von „jüdischen“ Verlagen als Teil des Musikbetriebes aufgebaut worden war.
Das Projekt recherchiert die Biographien und den künstlerischen Hintergrund der 1938 ausgeschlossenen Mitglieder, wodurch auch das Wiener Musikleben der Zwischenkriegszeit in seinem sozialen Aufbau und den verschiedenen künstlerischen Genres, vor allem auch im Kleinkunstbereich, in den Fokus gerät.
Zudem stellt sich die Frage nach dem Umgang der AKM mit ihrer Vergangenheit, nach Restitution und personellen sowie strukturellen Kontinuitäten der Genossenschaft im Dritten Reich und der Zweiten Republik, da die AKM bei ihrer Neugründung 1945 auf die automatische Wiederaufnahmen der jüdischen Mitglieder verzichtete und sich selbst als Opfer des Nationalsozialismus betrachtete.
Sachbearbeiter: |mail: Dr. Christoph Lind|
Entfernung. Österreich in Auschwitz
Die Neugestaltung der österreichischen Ausstellung im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau trägt den Titel „Entfernung. Österreich in Auschwitz“. Entfernung verweist zugleich auf die räumliche Distanz – die NS-Vernichtungslager wurden fern der deutschen Reichsgrenzen gebaut – wie auch auf die physische Entfernung der dorthin Deportierten – aus Österreich und aus dem Leben.
Die Ausstellung setzt diese Entfernungen in den Mittelpunkt, sie erzählt den Anfang und das Ende einer Geschichte und entfernt dadurch Österreich und Auschwitz. Während die Geschichte in Auschwitz mit realen Objekten erzählt wird, zeigt die Ausstellung den Anfang in Österreich, der mit der Situation in Auschwitz nichts mehr zu tun hat, als großflächige Projektion. Dem realen Ort Auschwitz wird ein virtueller Ort Österreich gegenüber gestellt. Inhaltlich verschränkt die Ausstellung die Geschichte der österreichischen Täter_innen und Opfer und trägt somit zu einer adäquaten Vermittlung der Rolle Österreichs in der Geschichte des Nationalsozialismus bei.
Kurator/inn/enteam: Hannes Sulzenbacher, Birgit Johler, Barbara Staudinger
Wissenschaftler/innenteam: Albert Lichtblau, Christiane Rothländer
Informationen zum Projekt bei |mail: Dr. Barbara Staudinger| und beim |Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus|
Neugestaltung des alten jüdischen Friedhofs St. Pölten
Der alte jüdische Friedhof St. Pölten wurde 1859 angelegt und 1906 geschlossen Nach dem sogenannten „Anschluss“ im Jahr 1938 wurde das Areal samt allen anderen Liegenschaften der IKG von der Stadt St. Pölten „arisiert“, die Grabsteine übernahm die städtische Friedhofsverwaltung. Heute steht auf dem Areal kein einziger Grabstein mehr.
Vom wichtigsten Merkmal des Ortes, den hier begrabenen Menschen – zwischen 1859 und 1906 fanden 583 Beerdigungen statt, die Namen der Toten sind mittlerweile recherchiert – ist im gegenwärtigen Zustand nichts zu ahnen. Ein neu zu errichtendes Grabdenkmal wird die Verstorbenen ins allgemeine Gedächtnis zurückbringen und insbesondere deren Nachfahren ein Gedenken am Ort der Gräber ermöglichen.
Der Grabstein und dessen grundlegende rituelle Bedeutung stehen im Zentrum des Projekts. Zusätzlich wird eine künstlerische Gestaltung die Geschichte des Friedhofs erzählen und den Ort in das historische Bewusstsein der Stadt zurückholen. Zum Abschluss der Neugestaltung des Friedhofs werden die Ergebnisse in Form einer Broschüre publiziert, um Projektverlauf, historische Forschung und künstlerische Umsetzung zu dokumentieren und mit gutem Bildmaterial einer weiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Sachbearbeiter: |mail: Dr. Christoph Lind|